Zwischen mir und Shadow of the Tomb Raider gab es von Anfang an so eine Art Hassliebe, aber nachdem ich das Spiel jetzt beendet habe, kann ich sagen, dass die großartigen Momente doch überwogen haben.
Das Spiel lebt eindeutig von seiner großartigen Spielumgebung. Ob mich nun ein üppiger grüner Dschungel umgibt, in dem die glänzenden Blätter der Pflanzen sich langsam im Wind bewegen, oder ob ich mich in einem unterirdischer Tempel mit knarzenden Holzstegen und flackernden Fackeln bewege, alles ist unglaublich realistisch und wundervoll dargestellt. Auch an viele Kleinigkeiten wurde gedacht. Da spritzen Wassertropfen auf die Kamera, wenn Lara sich nahe einem Wasserfall aufhält oder es huschen kleine Tiere oder Vögel durchs nahe Gebüsch. Auch der unvermeidliche Müll im Wasser nahe einer Ansiedlung darf nicht fehlen. Ein rostiges Wellblech ist in Shadow of the Tomb Raider ebenso detailreich dargestellt, wie ein antikes Wandgemälde.
Aber ich bin ja nicht hier, um nur die schöne Gegend zu bewundern, ich muss ja wieder mal die Welt retten. Und das macht Lara Croft hier sage und schreibe zum zwölften (!) Mal. 1996 erschien der erste Teil dieser erfolgreichen Serie, die bis heute nichts an ihrer Faszination eingebüßt hat. Das Erforschen und Enträtseln mystischer Gräber, schwindelerregende Klettereinlagen und rasante Kämpfe mit wilden Tieren oder menschlichen Gegnern zeichnen das Tomb Raider Franchise bis heute aus. Und das ist auch in diesem Teil nicht anders.
Story mit Tiefgang
Die Story knüpft direkt an den vorherigen Teil Rise of the Tomb Raider an. Hier erfuhr Lara nämlich, dass Trinity, ein alter Ritterorden, ihren Vater ermordet hat, von dem sie immer glaubte, er habe Selbstmord begangen. Seitdem ist sie auf der Jagd nach den Verantwortlichen. In Mexiko trifft sie schließlich auf den Anführer der gesamten Organisation, Dr. Dominguez. Dieser ist auf der Suche nach einem Artefakt, mit dem er die Welt nach seinen Wünschen neu erschaffen kann. Lara will nun versuchen, ihn aufzuhalten.
Angetrieben von Rachegefühlen stürze ich mich also mit Lara ins Abenteuer. Shadow of the Tomb Raider ist, wie seine Vorgänger auch, kein Open World Spiel. Mehr oder weniger linear geht’s mal unter oder über Wasser, mal in schwindelnder Höhe oder auch schon mal über Seilrutschen durch die Level. Einzig in den Ansiedelungen geht es etwas freier zu. Das schmälert den Spielspaß aber in keinster Weise, denn nicht immer sind Wege sofort klar erkennbar und müssen manchmal erst durch das Enträtseln unterschiedlichster Mechanismen freigeschaltet werden.
Während der Hauptstory ist Laras Freund Jonah meist an ihrer Seite. Sein Charakter hat nun etwas mehr Tiefe bekommen und wirkt deshalb glaubwürdiger als in den vorherigen Teilen. Er ist der beruhigende Faktor in der Story und versucht immer wieder, Lara von überstürzten Handlungen abzuhalten. Allerdings unterstützt er sie bei allen ihren Unternehmungen, obwohl er sich dabei selbst immer wieder in Gefahr bringt. Ich finde seinen Charakter jetzt jedenfalls eine willkommene Bereicherung im Spiel.
Brauchbare und unbrauchbare Skills
Wieder bekomme ich die Möglichkeit, Lara mit neuen Fähigkeiten auszustatten. Dazu sammle ich durch verschiedene Aktionen fleißig Erfahrungspunkte. So kann ich im Laufe des Spiels z.B. Leichen von Gegnern in tödliche Fallen verwandeln oder Giftpfeile herstellen, die Kontrahenten auf ihre Kumpel losgehen lassen. Allerdings finde ich viele Fähigkeiten relativ nutzlos und es scheint mir, dass die Entwickler hier nur Fülle vortäuschen wollten.
Weitaus nützlicher sind da die Waffen und ihre Upgrades, die ich im Laufe der Story bekomme. Ob lautloser Bogen, durchschlagende Schrotflinte oder Pistole, je nach Situation kann hier meist nach eigenem Geschmack gewählt werden. Weitere Waffen lassen sich bei Händlern kaufen, das ist aber meiner Meinung nach Geldverschwendung. Einen Dietrich oder die Seilaufstiegshilfe zu erwerben, kann ich aber für diejenigen empfehlen, die alle Sammelgegenstände erbeuten wollen.
Sammeln, Rätseln, Schleichen
Sammelgegenstände gibt es auch in Shadow of the Tomb Raider wieder zur Genüge (ich glaube es sind über 450 Stück). Dokumente, Relikte oder Wandgemälde sollen einen Einblick in die vorherrschende Kultur geben, und wer alle Beschreibungen dazu liest, kann seine Spielzeit sicher noch um 1-2 Stunden verlängern. Ich lese nicht alles, aber was es mit diesem bemalten und geschmückten Pinguin auf sich hat, das will ich dann doch wissen …
Abseits der Hauptstory treffe ich immer mal wieder auf NPCs, die kleinere oder größere Nebenquests bereithalten. Eine schöne Abwechslung, denn auch diese sind oft kniffelig und bieten zusätzlichen Rätselspaß. Allerdings laufen sie alle in etwas nach dem gleichen Schema ab, was mich persönlich aber nicht gestört hat.
Was ich mir natürlich nicht entgehen lasse, sind die Herausforderungsgräber. Hier staune ich wieder über den Einfallsreichtum und die teilweise völlig unterschiedliche Aufgabenstellung. Hier gilt es, sich einen Weg bis hin zu einem besonderen Grabstein zu bahnen. Das kann über oder unter Wasser sein und auch schon mal die eine oder andere Kletterpartie beinhalten. Mal müssen Spiegel richtig gedreht oder das Wasser abgesenkt werden oder es müssen Lüftungsklappen ausgerichtet werden, um ein Feuer zu löschen. Jedes Grab ist anders und jedes ist ein kleines Highlight auf meiner Reise durch den Dschungel Südamerikas.
Aber auch die kleinen zusätzlichen Herausforderungen, wie z.B. das Hissen von Flaggen oder das Abschießen von bestimmten Vogelnestern nehme ich gerne im Vorbeigehen mit. Das gibt Erfahrungspunkte und das gute Gefühl ein paar „wichtige“ Dinge erledigt zu haben.
Ob alle diese zusätzlichen Aufgaben nötig sind, darüber lässt sich streiten. Kryptas oder Gräber zu erforschen, gehört für mich allerdings für einen gelungenen Tomb Raider mit dazu. Die Hauptstory ist nämlich spannend und mitreißend, aber trotzdem ein wenig kurz geraten.
Was mich besonders freut, ist die Tatsache, dass Lara sich nun auch lautlos gegen ihre Feinde vorgehen kann. Ich feiere die neuen Mechaniken, mit denen Lara sich leise und ungesehen durch ein dichtes Farngebüsch schleichen oder sich mit Schlamm einreiben und dadurch, an Wände gepresst, nahezu unsichtbar bleiben kann. Von diesen Stealth-Einlagen hätten ruhig noch mehr enthalten sein können, denn leider lässt einen das Spiel nicht immer diese Vorgehensweise bei einem Konflikt wählen.
Und sonst so?
Anfangs hatte ich ja meine Hassliebe gestanden, weswegen ich jetzt noch kurz auf das eingehen möchte, was mich immer wieder geärgert hat und das ist diese gruselige Steuerung. Mehr als einmal ist Lara in den Tod gestürzt, weil das Spiel nicht auf meine Eingaben reagiert hat. Habe ich die Taste eine Millisekunde zu früh oder zu spät gedrückt? Oder eine Millisekunde zu kurz oder zu lang? War die Kamerausrichtung wieder 1 bis 2 Grad daneben? Ich habe keine Ahnung. Einige Kletterpassagen habe ich gefühlt 20 Mal absolviert, bis Lara wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Mein Fluchen was sicher weithin zu hören. Das scheint aber nicht nur mir so gegangen zu sein, denn ich habe von einigen anderen Spielern gehört, die hier auch ihre Probleme hatten.
Auch die Speicherpunkte finde ich manchmal etwas seltsam gesetzt. So muss ich ellenlange Passagen mehrfach absolvieren, weil ich wieder mal irgendwo das Zeitliche gesegnet habe. Ein paar Saves zwischendurch hätten da sicher nicht geschadet.
Übrigens kann man nun den Schwierigkeitsgrad des Spiels wählen. Hier gibt es drei Stufen, die man getrennt für Kampf, Gelände und Rätsel einstellen kann. Beim Kampf gibt es dann beispielsweise mehr oder weniger Munitionskisten und wer bei den Rätseln „Leicht“ einstellt, bekommt mehr Lösungshinweise. Ich habe den Kampf auf „Leicht“ gestellt und für Gelände und Rätsel den mittleren Schwierigkeitsgrad gewählt. Damit hatte ich jedenfalls viel Spaß.
Neu ist auch der Fotomodus, den ich aber irgendwie nicht genutzt habe. Im Nachhinein frage ich mich, warum eigentlich nicht?
Mein Fazit
Shadow of the Tomb Raider ist ein gelungenes Action-Adventure mit einer traumhaft schönen Spielumgebung. Ausschweifende Erkundungstouren wechseln sich mit knackigen Rätselgräbern und teilweise heftigen Feuergefechten ab, so dass es kaum eine Sekunde langweilig wird.
Die widerspenstige Steuerung ist wirklich der einzige Kritikpunkt, den ich an diesem Spiel habe. Shadow of the Tomb Raider bietet eine gute und breitgefächerte Unterhaltung mit einer, meiner Meinung nach, etwas tiefergehenden Story als bei seinen Vorgängern. Allerdings fehlt mir hier irgendwie der ganz große Abschluss oder Showdown, denn dieses Spiel soll ja nun endgültig der letzte Teil der Tomb Raider Serie gewesen sein.
Ich würde mich trotzdem über einen weiteren Teil freuen, auch wenn der vielleicht erst in ein paar Jahren erscheinen wird.